Der Song ist schnell erzählt: Mann fährt Tankstelle an, hat schlechte Laune wegen der krassen Preise, sieht diese Frau, und schwupps, ist die Welt wieder in Ordnung. Ihr Lächeln heilt Kranke. Sie wird zum Lichtblick in seinem grauen Alltag. Soweit, so gut, so Männerfantasie. Aber was sagt die von der Tanke dazu? Anschnallen und Ohren auf:
Na ja, gut: er singt, dass mein Lächeln Kranke heilt und die Spritpreise vergessen lässt. Das ist nett, aber es ist die klassische Falle, die Simone de Beauvoir beschrieben hat. Er sieht nicht mich. Er sieht nur ein Objekt.
Ich bin die hübsche Dekoration, das „Andere“. Ich soll ihm helfen, die Absurdität der Welt – und der krassen Preise – zu ertragen. Mein Sein ist ein Sein-für-ihn, reduziert auf Lippenstift und Lächeln.
Aber hier kommt meine Freiheit: Ich bin mir dieser Rolle völlig bewusst. Ich wähle, diesen Lippenstift aufzulegen. Ich wähle, zu lächeln. Das ist keine Unterwerfung, das ist meine Macht. In einer Welt, die mir zwischen Säule eins und Säule acht wenig Kontrolle lässt, ist diese bewusste Entscheidung meine Rebellion.
Ich bin nicht die Frau, die er sich erträumt. Ich bin die Frau, die ihre Rolle spielt, während sie innerlich frei bleibt. Ich weiß, dass ich Frau Tankstellen-Sisyphos bin, die glückliche Frau, die den Stein immer wieder über den Tresen schiebt. Aber dieses Bewusstsein macht mich zur Chefin meiner eigenen Geschichte.
Er bekommt sein Sechserpack und sein Lächeln. Aber ich behalte meine Philosophie.