Roger Überall ist ein Verhaltenstherapeut, der schon alles gesehen hat – Burn-out, Midlife, Sinnkrisen in allen Farben. Wenn ich ihm neue Texte zeige, liest er sie nie einfach so. Nein, Roger legt gleich den Psychologenblick an, mit Stirnrunzeln und einem Cappuccino in der Hand.
Neulich hab ich ihm meinen Song „Anger is my firm ground“ gezeigt und gefragt: „Roger, was sagst du dazu?“ Er hat sich zurückgelehnt, den Cappuccino umgerührt und losgelegt: „Weißt du, Wut ist gar keine schlechte Sache. Viele Menschen lernen, sie zu fürchten – dabei ist sie ein prima Frühwarnsystem. Wenn dich jemand respektlos behandelt, ist Wut das rote Lämpchen auf dem Armaturenbrett. Nur darfst du halt nicht das ganze Auto anzünden.“
Er lacht, nimmt einen Schluck. „Dein Text hat was Ehrliches. ‚Anger is my firm ground‘ — so fühlen es manche wirklich. Ohne Wut rutschen sie in Ohnmacht, in Traurigkeit. Wut hält sie am Leben, gibt Struktur. Ich versteh das.“
Kurz wird er ernst: „Peter Zadek, Miles Davis — die haben Wut bei den Künstlerinnen und Künstlern mit denen sie arbeiteten genutzt wie ein Instrument. Sie haben damit Spannung erzeugt, Menschen aus der Reserve gelockt. Das war kein Dauerzustand, sondern ein gezielter Einsatz: ein Zündfunken, kein Wohnraum.“
Er lehnt sich zurück und zwinkert: „Also, kurz gesagt: Wut ist ein guter Gast. Gib ihr ruhig einen Stuhl am Tisch — aber lass sie nicht den Kaffee kochen.“