Detlef Cordes trinkt. Oder zumindest sein lyrisches Ich. Und warum? Weil er sich nicht traut, das Problem anders zu lösen. "Du gibst mir Anlass zum Nachschenken" ist mehr als nur ein verspieltes Wortspiel, es ist die Flucht ins Glas – und genau das ist der wunde Punkt dieses Songs. Warum wird Alkohol als Strategie gegen soziale Übergriffigkeit bemüht? Warum wird ein Problem heruntergespült, anstatt es frontal zu benennen?
Cordes versteht es, alltägliche Abgründe in leichte, humorvolle Musik zu verpacken – hier mit einem entspannt swingenden Jazz-Arrangement, das eine Lässigkeit suggeriert, die die eigentliche Misere fast vergessen lässt. Die Situation ist klar: Da ist jemand, der immer wieder auftaucht, sich durchzecht und auf die Nerven geht – aber rausgeworfen wird er nicht. Stattdessen wird brav weiter nachgeschenkt. Der Song beschreibt keine Kneipenromantik, sondern eine Kapitulation, eine Form der Konfliktvermeidung, die man in männlich dominierten Sozialstrukturen oft findet. Lieber Augen zu, Glas voll, bloß keinen Ärger.
Und da stellt sich die Frage: Warum dieser Rückzug? Warum wird die direkte Auseinandersetzung gescheut? Wer darf sich eigentlich wie verhalten? Wer hält den Mund und erträgt, wer nimmt sich den Raum, Grenzen zu überschreiten? Und wer zahlt am Ende für diese vermeintliche "Friedfertigkeit"?
Es ist genau diese unterschwellige Spannung, die den Song so ambivalent macht. Cordes bleibt ironisch, augenzwinkernd, witzig – aber er macht sich damit auch angreifbar. Ist das kluge Selbstbeobachtung oder letztlich doch eine Reproduktion von Mechanismen, die er eigentlich kritisch betrachten könnte? Das bleibt offen. Vielleicht ist es an der Zeit, die Gläser einfach mal stehen zu lassen – und stattdessen Klartext zu sprechen.
Rezension von Frederike Theuerbier